Es war so still, man hätte eine Stecknadel fallen gehört. Knapp hundert Schüler, Eltern und Lehrer lauschten am vergangenen Donnerstag, den 30.01.2020 den Erzählungen des 91-jährigen Abba Naor, einem der letzten Zeitzeugen, die einen Aufenthalt im KZ während der Zeit des Nationalsozialismus überlebt haben. Über zwei Stunden und sichtlich berührt folgten die Schülerinnen und Schüler des Viscardi-Gymnasiums den Ausführungen des betagten Gastes und hatten schließlich noch die Gelegenheit mit Naor ins Gespräch zu kommen.
Abba Naor, der aus Litauen stammt und jüdischen Glaubens ist, war mit seiner Familie zunächst im Getto von Kaunas, 1944 wurde die Familie in das KZ Strutthof bei Danzig deportiert, von wo aus seine Mutter und sein jüngster Bruder nach Auschwitz Birkenau deportiert wurden. Er selbst kam nach Utting am Ammersee, wo sich ein KZ-Außenlager von Dachau befand. Von dort meldete er sich freiwillig in das Außenlager Kaufering bei Landsberg, weil er hoffte dort seinen Vater zu finden. Sein schwerster Fehler, wie Naor feststellte, denn dort wurden die Häftlinge durch verschiedenste Arbeiten aufs grausamste geschunden. Seinen Vater traf Naor dort jedoch nicht. Auf dem Todesmarsch bei Waakirchen wurde Naor von den Amerikanern befreit.
Auf die Frage, was sein schlimmstes Erlebnis gewesen sei, antwortete Naor, neben der Deportation seiner Mutter und seines Bruders, sei es der Hunger gewesen, der die Häftlinge fast in den Wahnsinn getrieben habe. Folglich war es für ihn der schönste Moment, als er nach langer Haft zum ersten Mal in eine Scheibe Brot beißen konnte. Auf die Frage, ob er angesichts des ganzen Leides, das er ertragen habe, an Gott glaube, antwortete Naor, Gott sei im KZ nicht da gewesen, dort habe er seinen Glauben verloren.
Ob er mit seinem jetzigen Leben zufrieden sei, wollte ein Schüler wissen. Naor bejahte und erzählte dann, er habe nach dem Kriegsende in München seinen Vater zwar wiedergetroffen, dieser sei jedoch in München geblieben, als er selbst nach Palästina ausgewandert sei, weil er sich in Deutschland nicht willkommen gefühlt habe. Jetzt jedoch sei er alle 3 Monate in Deutschland, auch in der Gedenkstätte Dachau, um Jugendlichen von seinem Leben zu erzählen. Allerdings so fügt er hinzu, habe er weder mit seiner Frau noch mit seinem Sohn über seine Erlebnisse in den KZs reden können. Diese hätten alles aus seinem Buch und seinen Vorträgen erfahren. Auch kämen in seinen Nächten bis heute immer wieder Bilder des damals Erlebten hoch.
Zum Abschluss gab Naor den Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse noch mit auf den Weg, dankbar zu sein, für die Möglichkeit der Ausbildung und der Berufswahl in einem freien Staat.
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